1. Grundoperation
Das psychische System operiert ausschließlich durch Unterscheidung / Indikation. Alles, was „Ich“ genannt wird, ist die momentane Fixierung einer ansonsten unabschließbaren Reihe von Zustandsübergängen.
Es existiert keine Identität; es existiert nur die Illusion, dass aufeinanderfolgende Operationen auf dasselbe „Ich“ verweisen.
2. Verwaltungslast
Jede Wahrnehmung erzeugt Anschlusszwang. Anschluss erzeugt Selektion. Selektion erzeugt Ausschluss. Ausschluss erzeugt Restirritation.
Diese Restirritationen bilden den Kern des subjektiven Erlebens von „Belastung“.
3. Entscheidung als Engpass
Die Entscheidung ist der Versuch, die operative Komplexität durch temporäre Stabilisierung zu reduzieren. Sie ist kein Ausdruck von Willen, sondern eine systemische Notwendigkeit zur Fortsetzung.
Entscheidungen sind daher nicht Wahrheiten, sondern zeitgebundene Reduktionsakte.
4. Identität als Nebenprodukt
Das „Ich“ entsteht nicht intentional, sondern als Index der letzten erfolgreichen Selbstreferenz.
Wenn das System sich an eine eigene Entscheidung anschließt, nennt es das „Selbst“. Wenn es nicht anschließen kann, nennt es das „Problem“.
5. Konfliktlogik
Widerspruch ist keine Störung, sondern das erwartbare Resultat mehrerer inkompatibler Reduktionsakte, die gleichzeitig Geltung beanspruchen.
Konflikte entstehen nicht durch Inhalte, sondern durch gleichzeitige Selektionspfade.
6. Innen = Außen
Die Binnenlogik des psychischen Systems ist strukturell identisch mit der Binnenlogik sozialer Systeme: Beide operieren unter Zeitdruck, mit zu viel Information, zu vielen potenziellen Anschlussformen und zu wenig Kapazität, alles gleichzeitig zu verarbeiten.
Der Unterschied ist lediglich die Trägheit sozialer gegenüber psychischen Systemen.
7. Überlastung
Überlastung ist nicht emotional, sondern strukturell: Sie bezeichnet den Zustand,
in dem die Anzahl konkurrierender Anschlussmöglichkeiten die operative Geschwindigkeit des Systems übersteigt.
Das gilt für Parlamente ebenso wie für Innenleben, es ist allen Systemen immanent.
8. Reform
Reform heißt nicht „Änderung des Ziels“, sondern Änderung der Anschlusslogik. Weniger Festlegung, mehr Beobachtung vor Entscheidung, geringere Bindungsdauer von Entscheidungen.
Das System wird dadurch nicht besser, aber es bleibt entscheidungsfähig.
9. Fazit
Das sogenannte Ich ist kein psychologisches Konzept, sondern eine Formel für operative Selbstbegrenzung: Jede Entscheidung reduziert Komplexität; jede Reduktion erzeugt neue Komplexität; der einzige Ausweg besteht in der Minimierung der Bindungswirkungen eigener Festlegungen.
Mehr ist strukturell nicht möglich.